Im 20. Jahrhundert zählte der Alpstafel 39 Gebäude und eine Kapelle – der Ort glich einem Dörflein.
Der Sommer bringt den Bauernfamilien keine Ferien, sondern die strengste Zeit des Jahres. Mähen, Heu einbringen, Gärten und Äcker jäten, den zweiten Grasschnitt in die Scheune bringen, Getreide schneiden, gleichzeitig auf der Alp das Vieh hüten, täglich zwei Mal melken, die Milch verarbeiten – ein Alptraum…
Die Wochen von Juni bis September sind also arbeitsintensiv. Kopfzerbrechen bereitete den Bauern die hochgelegene Alp und das zeitraubende Käsen. So stellte man auf einer Genossenschaftsalp gemeinsam Sennen und Hirten an: Das drei- bis fünfköpfige Alppersonal besorgte alles Vieh am Berg. Damit konnten die Leute im Tal bleiben und heuen. Die andere Lösung hiess Einzelalp, auch Familienalp genannt: Jede Familie blieb im Dorf und schickte täglich eines ihrer Mitglieder hinauf, um nach dem eigenen Vieh zu schauen.
In Richinen ob Bellwald im Goms überwog die Einzelsennerei: Jede Familie besass ihre eigene Hütte. Im 20. Jahrhundert zählte der Alpstafel 39 Gebäude und eine Kapelle – der Ort glich einem Dörfl ein. Es handelt sich um ebenerdige, meist einräumige Blockbauten auf niedrigem Bruchsteinsockel. Als Verzierungen finden sich etwa ein eingekerbter Fries an einem Türpfosten und ein Rosskopf an einem Balkenende.
Nachdem 1970 ein grosser Genossenschaftsstall mit neuer Sennhütte gebaut worden war, standen die Hütten leer. Die Alpkorporation beschloss den Abbruch. Fünf Gebäude übernahm das Freilichtmuseum Ballenberg: Eine Sennhütte zum Käsen und zwei Ställe, weiter zwei Sennhütten, die später zu Stall und Käselager umfunktioniert worden waren. In der kleinen Siedlung wird deutlich, wie die Gebäude einst am Originalstandort in Gruppen wirkten.
Kultur ist nicht einfach gegeben und immer gleich. Kultur ist von Menschen gemacht und jederzeit veränderbar. Traditionen sind regional unterschiedlich; Bräuche wandeln sich. Das war auch im Alpenraum und in früheren Jahrhunderten so. Beim Alpwesen gab es verschiedene, ja gegensätzliche Organisationsformen. Im Wallis finden wir an einem Ort Genossenschaftsalpen mit wenigen und dafür grossen Gebäuden, im nächsten Tal Familienalpen mit vielen Kleinbauten. Auf der einen Alp war alles Personal männlich, auf der anderen Seite des Berges besorgten nur Frauen das Vieh. Auch Systemwechsel kamen vor: In Bellwald dominierte bis 1937 Einzelalpung, dann stellte man auf genossenschaftliche Bewirtschaftung um.